Wer chinesische Geschichte erleben will, der muss die verbotene Stadt in Peking besuchen. Die Anlage gehört zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Bauten der Welt und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Willkommen im Haus des letzten Kaisers von China, dem Herr von 10’000 Jahren…
Geschichte
Um 1406 wurde mit dem Bau der verbotenen Stadt (auch die purpurne verbotene Stadt oder auf chinesisch 故宫 Gùgōng ‚Kaiserpalast‘ genannt) begonnen. Auftraggeber war der dritte Ming-Kaiser Yongle, der Baumeister war Chen Gui. Der Überlieferung nach sollen zeitweise über 100’000 Kunsthandwerker und insgesamt bis zu einer Million Arbeiter am Bau beteiligt gewesen sein. Diese unglaublich grosse Anzahl an Arbeitern hatte zur Folge, dass der Bau bereits nach rund 14 Jahren vollendet werden konnte. Die verbotene Stadt war von 1420 bis 1911 während 491 Jahren der Sitz von insgesamt 24 Kaisern. Nach der Abdankung des letzten Kaiser im Jahr 1911 lebten er und seine Familie noch bis 1924 im Fastenpalast im Innern der Anlage. Danach mussten sie die Stadt verlassen und die Anlage wurde für die Bevölkerung geöffnet.
Grösse
Die gesamte Anlage hat eine Ausdehnung über 720’000 m². Alle 890 Gebäude ergeben zusammen eine bebaute Fläche von 150’000 m², mit einer umlaufenden Mauer vom 3428 Metern Länge. Nach offiziellen Angaben sind in der verbotenen Stadt insgesamt 9999,5 Räume vorhanden. Gemäss einer Legende durfte der Kaiser auf Erden nur einen Palast mit maximal dieser Anzahl Räumen besitzen – ausschliesslich der ‚Palast im Himmel’, also das Paradies im Himmel, durfte 10’000 Räume umfassen. Aus Studien von Experten für historische Gebäude geht allerdings hervor, dass sich in der verbotenen Stadt in allen Palästen, Hallen und Pavillons insgesamt 8707 Räume befinden. Doch auch diese Anzahl ist weltweit einzigartig für ein so genanntes ‚privates Domizil’ eines Kaisers.
Der Bau verschlang Unmengen an Holz. Dieses wurde vor allem aus Zhejiang, Jiangxi, Hunan und Hubei in Südchina auf dem Wasserweg nach Peking gebracht. Auch wurden spezielle Ziegelsteine hergestellt, die Goldziegel oder auch gelbe Ziegel genannt wurden, nach der Farbe des Kaisers. Diese Ziegel waren sehr hart, wurden für den Glanz mit Tungöl poliert und geben beim Klopfen einen hellen klingenden Ton von sich. Hergestellt wurden die Ziegel in Sozhou und ebenfall über den Wasserweg in die verbotene Stadt gebracht. Noch heute sind die Dächer der Paläste oder Pavillons mit diesen Ziegeln verkleidet. Sie werden immer noch nach einer traditionellen Rezeptur hergestellt, da sie auch extremste Temperaturunterschiede und lange Winter überstehen müssen. Industriell hergestellte Baumaterialien erfüllen die strengen Vorgaben der Regierung nicht.
Räume
Die verbotene Stadt besteht aus einem äusseren und inneren Hof. Zum inneren Hof hatten nur die Kaiserfamilien und Ihre Bediensteten Zutritt. Der wichtigste Raum im äusseren Hof und gleichzeitig der gesamten Anlage ist die Halle der höchsten Harmonie (Tai He Dian). Sie wurde 1420 erbaut, umfasst eine Fläche vom 2’400 m² und ist mit 36,57 Metern der höchste Palast in der Anlage. Höher durfte während der Regentschaft der Kaiser kein Gebäude in Peking sein. In diesem Palast steht auch der Drachenthron, der Thron des Kaisers, der von zwei den Frieden symbolisierenden Elefanten bewacht wird. Die Halle war über Jahrhunderte hinweg der Ort, wo die chinesischen Kaiser symbolisch den Thron bestiegen und wo praktisch alle bedeutenden Zeremonien wie der kaiserliche Geburtstag und die Neujahrsfeier abgehalten wurden.
Die Kaiserfamilie lebte im inneren Hof der Stadt, dem so genannten Neiting. Dieser besteht aus drei Palästen: Dem Quanqinggong (Palast der Himmlischen Reinheit), dem Jiaotaidian (Halle der Berührung von Himmel und Erde) und dem Kunninggong (Palast der Irdischen Ruhe). Weitere Bewohner im Hofstaat waren auch hunderte Hofdamen und die Palasteunuchen. Außerdem gab es viele weitere Paläste, Pavillons und kleine Innenhöfe mit speziellen Bereichen für die Kaiserin und die Konkubinen. 2 weitere Paläste waren dem Kaiser vorbehalten: Der Fastenpalast und der Yangxindian, der Halle zur ‚Bildung der Gefühle‘. Hierhin zog sich der Kaiser zurück, wenn er allein sein wollte.
Die Stadt besitzt 4 Haupttore. Das heutige Eingangstor für Besucher ist das 8 Meter hohe Mittagstor (Wumen). Das Shenwumen, das „Tor der Göttlichen Militärischen Begabung“ ist das nördlichste Tor des ganzen Kaiserpalastes. Früher gab es im oberen Teil des Torturms eine Trommel und eine Glocke, die eigens für die Palastbewohner die Zeit mitteilte.
Weiterer Artikel?
Sind Sie daran interessiert mehr über die Kultur Chinas zu erfahren? Gehen Sie zu „Chinesische Gärten“ und erfahren Sie Wissenswertes über die Gärten Chinas.
Vor dem Palast der höchsten Harmonie befindet sich eine Steinplatte, der so genannte Kaiserweg oder auch Yunlong-Platte. Diese Platte hat eine Fläche von mehr als 50 m² und ein Gewicht von 239 Tonnen! Die grösste Steinplatte Chinas stammt von ausserhalb Pekings, rund 50km von der verbotenen Stadt entfernt. Doch wie transportiert man so eine grosse und schwere Fracht? Hier haben sich die chinesischen Bauherren etwas Besonderes ausgedacht: Sie warteten auf den Winter, bauten alle 500 Meter einen Brunnen und legten in der Kälte extra für den Transport eine eigene Eisschiene an. Mit dieser rutschigen Unterlage war der Transport in 28 Tage zu schaffen. Trotzdem benötigte man insgesamt rund 20’000 Arbeiter, um die Platte überhaupt auf dieser Strecke zu bewegen.
Geometrie
Die Dimensionen in der verbotenen Stadt folgen wie zB die Pyramiden in Ägypten bestimmten Regeln. So stehen Länge und Breite der Halle der höchsten Harmonie oder auch der Halle ‚zur Bildung der Gefühle‘ des Kaisers in einem bestimmten Verhältnis, und zwar Neun zu Fünf. Diese Zahlen hatten in der antiken chinesischen Architektur eine besondere Bedeutung. Die geraden und ungeraden Zahlen fallen in die Kategorien Yin und Yang, das System der gegensätzlichen Elemente. Unter den ungeraden Zahlen kleiner als Zehn ist Neun die höchste Zahl. Und die Mitte von 10 ist Fünf. Und diese Zahlen symbolisierten die kaiserliche Macht. Weiter sind viele Distanzen genau im Wert des so genannten goldenen Schnittes gestaltet, also im Verhältnis 0.618.
Wissenswertes
In der verbotenen Stadt gibt es 13’844 Drachendarstellungen.
Alle Türen haben 81 Nägel, also 9 Reihen mit 9 Nägeln. Ausser das Donghua-Tor – dieses hat nur 8 Reihen. Da durch dieses Tor auch Särge getragen wurden, musste die Anzahl Nägel auf eine gerade Zahl, also eine Yin-Zahl reduziert werden.
Die verbotene Stadt hat jährlich 9 Millionen Besucher.
Seit der Qing-Dynastie galt das Gesetz, dass sich in bestimmten Bereichen in der verbotenen Stadt nach Sonnenuntergang keine ‚richtigen‘ Männer mehr aufhalten dürfen – dies erklärt die damalige Anwesenheit von bis zu 3000 Eunuchen.
Wer alte Toiletten sucht, wird enttäuscht: Es gab in der verbotenen Stadt keine einzige Toilette. Stattdessen wurden, je nach Rang und Zugehörigkeit, einfache bis sehr edle Bettpfannen aus Holz oder Metall benützt. Nach Gebrauch wurden sie mit Asche bedeckt und von den Eunuchen gereinigt.
Während der Qing-Dynastie war das Rauchen von Tabak und Opium sehr verbreitet. Ein typisches Geschenk zum 8. Geburtstag eines Kindes war eine Seidentasche mit einer kleine Pfeife und Tabak.
In Peking kann es sehr kalt werden. Hat man im Winter gefroren? Nein, im Winter konnte die verbotene Stadt tatsächlich geheizt werden. So genannte Hohlmauern wurden mit Rohren verbunden, die zu Öfen ausserhalb der Räume führten. Es gibt sogar Betten, die auf diese Art geheizt wurden. Für den Spaziergang in der Stadt hatten die Hofdamen sogar Taschenwärmer. Diese waren kleine Gefässe aus Bronze, die mit Kohle gefüllt wurden.
Der Kaiser konnte zum Frühstück aus rund 40 Gerichten auswählen. Nicht aus einer Speisekarte, sondern fertig gekocht und in einem Palast serviert. Zum Wohl des Kaisers wurden die Gerichte von einem Bediensteten vorgekostet. Zur Sicherheit wurde in jedes Gericht ein Silberlöffel gelegt, der durch Verfärbung diverse Gifte angezeigt hätte.
Eine Konkubine zu werden war nicht einfach. Nicht nur mussten sie in Grösse und Gewicht in einen bestimmten Rahmen passen – und zwar inklusive Zehen, Nasen, Länge der Arme usw. Sie mussten auch in verschiedensten Lehren ausgebildet sein. Aber das wichtigste war: Sie mussten gut riechen, und zwar ohne Hilfsmittel. Die Überprüfung übernahmen die Hofdamen. Es war eine grosse Schande, diesen Test nicht zu bestehen. So gesehen sind heutige Miss-Wahlen doch sehr oberflächlich!
Die vielen Bronzebottiche in der verbotenen Stadt waren nicht nur Dekoration – es waren auch Wasserbehälter für den Fall eines Feuers. Im Winter wurden sie sogar von unten beheizt, damit das Wasser nicht einfrieren konnte.
Opernaufführungen waren sehr beliebt in der verbotenen Stadt. Doch die Darsteller lebten gefährlich: Da die meisten Opern von Geschichten rund um die Kaiser handelten, musste jedes Wort genau überlegt sein. Einige Kaiser waren sehr strikt in der Auslegung, was lustig war und nicht. Die Folgen für die Komponisten und Darsteller konnten daher recht drastisch sein…
Die goldenen Löwen vor dem Kaiserpalast hatten jeweils 13 Locken auf dem Kopf. Die höchste Anzahl, nur dem Kaiser vorbehalten. Andere ranghohe Politiker und Würdenträger unterschieden sich in der Anzahl der Locken auf einem Löwenkopf, die sie vor ihren Häusern aufstellten. Unter 7 Locken war es gar verboten, überhaupt einen Löwen vor dem Haustor zu haben.