Der Neue Sommerpalast (颐和园 Yíhéyuán, wörtlich: Erholung- und Friedensgarten) liegt 20km nordwestlich vom Stadtzentrum Pekings, genauer gesagt der Verbotenen Stadt. Der Sommerpalast ist eines der beliebtesten Touristenziele in Peking und dient aber auch vielen Einheimischen als Naherholungsgebiet.
Dominiert wird die Anlage des Sommerpalastes vom “Berg der Langelebigkeit” (万寿山 Wànshòu Shān) und dem davor liegenden Kunming See (昆明湖 Kūnmíng hú), der Dreiviertel der Gartenlandschaft einnimmt. Der “Berg der Langelebigkeit” ist mit etwa 60 Meter Höhe ein markanter Aussichtspunkt, von dem aus man einen herrlichen Blick über die Palastgebäude, die Gärten und Peking hat. Der südliche Hang des Hügels ist reich an prächtigen Hallen und Pavillons, während der nördliche Teil des Hügels mehr als ein Garten angelegt wurde. Der ausgedehnte Kunming-See, der 2,2 Quadratkilometer (540 Hektar) bedeckt, ist ein künstlicher See. An heissen Sommertagen bietet der See und die unzähligen Allen um den See herum eine angenehme Abkühlung. Auch eine kleine Bootsfahrt lädt zum Genissen ein. Der Aushieb, der beim Bau des Sees entstand, wurde verwendet, um den “Berg der Langelebigkeit” zu bauen.
Im Dezember 1998 wurde der Sommerpalast in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Dort wird er als „ein Meisterwerk des chinesischen Landschaftsgartenarchitektur, die die Naturlandschaft der Hügel und des offenen Wassers mit künstlichen Zügen wie Pavillons, Hallen, Palästen, Tempeln und Brücken zu einem harmonischen Ensemble von außergewöhnlichem ästhetischen Wert kombiniert“ beschrieben.
Bau des Alten und Neuen Sommerpalastes
Im Jahre 1749 entschied sich der Kaiser Qianlong (乾隆Qiánlóng) einen neuen Palast in der Nähe vom West-See zu bauen und diesen seiner Mutter zum 60. Geburtstag zu schenken. Die Region war seit 1153 ein beliebter Rückzugsort des Kaiserhofes, denn die feucht-heissen Sommermonate liessen sich dort besser als in der Stadt ertragen. Durch stätige Erweiterung und unzählige Umgestaltungen wurde der Sommerpalast im Laufe der Zeit auf 3000 Räume ausgeweitet. Durch die ständigen Erweiterungen wurde es die größte Garten- und Palastkomposition im damaligen Ostasien. Unweit des Neuen Sommerpalastes liegt der Alte Sommerpalast , bekannt im Chinesischen als Yuanming Yuan (圆明园„ Gärten der perfekten Helligkeit“), und wurde ursprünglich als kaiserlichen Gärten (御园Yù Yuán) bezeichnet. Der Bau des Alten Sommerpalastes begann bereits während der Herrschaft des Kaisers Kangxi (康熙) im Jahr 1707, der auch hier verstarb. Die kaiserlichen Gärten des Alten Sommerpalastes wurden im Jahr 1725 und 1747 erheblich erweitert. Im Alten und später auch im Neuen Sommerpalast konnte Kaiser Qianlong ungezwungen seinen Vorstellungen folgen und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Unter anderem bauten ihm Jesuiten, die an seinem Hofe tätig waren, 1780 im Alten Sommenpalast einen weißen Marmorpalast im europäischen Barockstil. Eine weitläufige Terrasse mit Fontänen und Wasserspielen, nach dem Vorbild von Schloss Versailles, wurde vor dem Barockpalast angelegt.
Opiumkriege und Zerstörung der Anlagen
1842 endete der erste Opiumkrieg, mit der erzwungenen Öffnung Chinas so dass Grossbritanien weiter Opium ins Land importieren und andere Länder ihren kolonialen Wirtschaftsinteressen in China nachgehen konnten. Im Herbst 1856 brach, unter dobiosen Umständen, der zweite Opiumkrieg aus, dem das chinesische Kaiserreich militärisch sowie wirtschaftlich nicht gewachsen war. Es war nur eine Frage der Zeit und am 6 Oktober 1860 wurde Peking von französischen und britisch-indischen Truppen erobert.
Als Vergeltung für die Folter und Hinrichtung von fast zwanzig europäischen und indischen Gefangenen, darunter zwei britische Gesandte und The Times Journalist Thomas Bowlby, befahl der britische Befehlshaber Lord Elgin, die Zerstörung des alten Sommerpalastes. Vorallem sollte dies eine Machtdemonstration sein, weil er von der chinesischen Delegation für Friedensverhandlungen immer wieder vertröstet und der Unterzeichnungstermin der Pekinger Konvention ständig nach hinten verschoben wurde. Erst soll Lord Elgin die Zerstörung der Verbotenen Stadt erwogen haben, aber er war sich nicht sicher, wie die Chinesen und die Delegationen auf diesen Akt regieren würden. Deshalb entschiedt man sich für die ausgedehnten Anlagen des Alten Sommerpalastes. Der alte Sommerpalast wurde von 3.500 britischen Truppen geplündert, verwüstet und schliesslich in Brand gesetzt, so dass dieser für drei Tagein Flammen stand. Lord Elgin und seine Truppen plünderten viele Schätze aus dem Palast und nahmen sie mit nach Großbritannien. Angriffe auf den nahe gelegenen Neuen Sommerpalast wurden ebenfalls unternommen, aber das Ausmaß der Zerstörung war nicht so groß wie beim Alten Sommerpalast. Der Befehlshaber der französischen Truppen des Expeditionskorps General Montauban verweigerte die Teilnahme an dieser Vergeltungsaktion. Am 24. Oktober 1860 unterzeichnete Lord Elgin sowie die chinesischen Delegierten die Konvention von Peking, die unteranderem festlegte, dass der Opiumhandel wieder ermöglich, Städte zum internationalen Handel geöffnet wurden, ausländische Botschaften in Peking eröffnet werden und sich in vielen Städten international Siedlungen etablieren dürften.
Ein architektonisches Wunder mit unermesslichen Sammlungen von Kunstwerken und historischen Antiquitäten wurde zerstört und stellt einen unschätzbaren Verlust eines kulturellen Erbes Chinas dar. Im Zuge der Plünderungen wurden neben Kunstschätzen aller Art auch jene kostbaren Uhren geraubt, die König Georg III. von Grossbritannien dem Qianlong Kaiser durch die Macartney-Mission als Geschenk übersandt hatte. Dieser Akt wurde vom chinesischen Kaiser damals aber als „Tribut“ eines unterwürfigen Volkes gedeutet worden, so dass die zukünftigen Beziehungen zum Ausland ohnehin unter keinem guten Stern gestanden haben. Zur Beute der Briten zählten auch Hunde der Pekinesenrasse. Die unteranderem auch Palasthunde genannt wurden, weil dessen Besitz nur dem chinesischen Kaiserhofe erlaubt war. Diese Palasthunde wurden nach England gebracht und Königin Viktoria zum Geschenk gemacht. Königin Vikoria, in Anspielung an die Plünderungen des alten Sommerpalastes, nannte einen der graubten Hunde „Looty“ (englisch “loot” bedeutet „Kriegsbeute“).
Zaghafte Versuche der Qing-Regierung, den Alten Sommerpalast wieder aufzubauen, scheiterten an Geldmangel. 1900 wurden die Reste der Anlage von der zur Niederschlagung des Boxeraufstands entsandten Interventionsarmee endgültig geschliffen. Die Ruinen dienten in der Folge als Steinbruch und lieferten teilweise auch Baumaterial für die unweit liegende Peking Universität. Heute werden die auf dem Gelände verbliebenen Parkanlagen von der hauptstädtischen Bevölkerung als besonderes Ausflugsziel geschätzt, obwohl diese Anlage ganz im Schatten des Neuen Sommerpalastes steht.
Zerstörung und Wiederaufbau des Neuen Sommerpalastes
Zwischen 1884-1895, während der Herrschaft des Kaisers Guangxu (光绪帝), investierte seine Tante Cixi (慈禧) 22 Millionen Silbertaler in den Wiederaufbau. Dieses Geld war ursprünglich für den Aufbau einer modernen Qing-Marine vorgesehen. Cixi, auch Kaiserinwitwe, genannt, wollte aber lieber ihren 60ten Geburtstag mit der Neueröffnung des Neuen Sommerpalastes feiern. Frei nach dem Motto: Mit Pauken und Trompeten dem Untergang entgegen.
Im Jahre 1900, gegen Ende der Boxeraufstandes, erlitt der Sommerpalast wieder Schäden als die Kräfte der Acht-Nationen-Allianz (die acht Nationen waren das Reich von Japan, das Russische Reich, das Britische Reich, die französische Dritte Republik, die Vereinigten Staaten, das Deutsche Reich, das Königreich Italien und das österreichisch-ungarische Reich) die kaiserlichen Gärten teilweise zerstörten und wieder viele Kunstschätze aus dem Palast plünderten. Der Palast wurde zwei Jahre später erneut restauriert und erhielt sein heutiges Erscheinungsbild.
Im Jahre 1912, nach der Abdankung von Puyi (溥仪), dem letzten Kaiser Chinas, wurde der Sommerpalast zum Privatbesitz der ehemaligen Kaiserfamilie des Qing-Reiches. Zwei Jahre später wurde der Sommerpalast für die Öffentlichkeit geöffnet und Eintrittskarten verkauft, die so teuer waren, dass nur eine kleine Oberschicht sich den Besuch leisten konnte. Im Jahr 1924, nachdem Puyi durch den Kriegsherr Feng Yuxiang (冯玉祥) aus der Verbotenen Stadt vertrieben worden war, übernahm die Stadtverwaltung von Peking die Verwaltung des Sommerpalastes und verwandelte ihn in einen öffentlichen Park.
Nach 1949 wurde der Sommerpalast die “Zentrale Parteihochschule der Kommunistischen Partei Chinas”. So haben dort von 1949 bis 1979 ca. 30.000 Parteimitglieder die kommunistische Hochschule durchlaufen. Dies umfasste alle Führungsmitglieder der Kommunistischen Partei. Seit 1953 wurden zudem viele große Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten im Sommerpalast durchgeführt, der nun der Öffentlichkeit als Touristenattraktion und Park zugänglich ist.
Besondere Highlights des Neuen Sommerpalastes
Das Marmorboot (石舫; Shífǎng), welches 96 Meter lang ist liegt im Kunming-See. Das ursprüngliche Boot war aus Holz und wurde 1860 verbrannt. Es wurde durch eine Marmorkopie ersetzt und mit Schaufelrädern nach europäischen Vorbild gebaut.
Der Wandelgang (长廊; 長廊; Chángláng) verläuft am Ufer des Kunming-Sees von der Halle der Freude und der Langlebigkeit im Osten zum Shizhang-Pavillon im Westen. Der gesamte Korridor ist 728 Meter lang und wird durch 273 verbundenen Säulenpaare und mehreren Pavillons verbunden. Der Wandelgang enthält 8000 künstlerische Dekorationen, darunter Gemälde von berühmten Orten in China und Szenen aus der chinesischen Mythologie und Märchen. Der Wandelgang verbindet alle Gebäude entlang des südlichen Teils des Hügels der Langlebigkeit durch Tore und Pavillons miteinander. Die “Wolkenzerstreuende Halle” bildet den Mittelpunkt des Ganges, der an dieser Stelle einen halbkreisförmigen Bogen um die Halle herum macht.
Mittelpunkt der Anlage bildet der der “Pavillon des Buddhistischen Wohlgeruchs” (佛 香 阁; 佛 香 閣; Fóxiānggé): Der Tempel liegt auf dem 60 Meter hohen “Berg der Langelebigkeit”. Der Turm war ursprünglich als eine neungeschossige buddhistische Pagode geplant, die gebaut wurde, um der Gelben Kranichpagode zu ähneln Diese ist ein kunstgeschichtlich bedeutsames Bauwerk in Wǔhàn, Provinz Hubei. Der Qianlong-Kaiser befahl, den Bau zu stoppen, kurz nachdem das achte Stockwerk fertig gebaut wurde. Der Grund dafür ist unbekannt. Der Turm wurde auf einem 20 Meter hohen Steinsockel gebaut und hat eine reine Turmhöhe von weiteren 41 Metern, wodurch die Pagade ein markanter Punkt in der Landschaft ist. Kaiserinwitwe Cixi besuchte den Turm viele Male, um Weihrauch zu opfern und zu beten.
Anfahrt und Besuch
Die Metrolinie 4 fährt direkt zum Neuen Sommerpalast. Die Haltestelle heisst Beigongmen (北宫门站), und liegt keine 5 Minuten Fussweg vom Eingang entfernt. Von hier betritt man die Anlage vom Norden her und die erste Sehenwürdigkeit ist die Suzhou Strasse (苏州 街Sūzhōujiē). Sie wurde im Jahre 1762 erbaut. Nach der Rückkehr von einer Reise durch die historische Jiangnan Region und einem Besuch in der Stadt Suzhou, befahl der Kaiser Qianlong den Bau einer Einkaufsstraße mit Wasserkanälen ähnlich der Shantang Strasse in Suzhou. Der Nachbau der Straße wurde 1860 von den Briten und Franzosen zerstört und erst 1988 wieder restauriert und der öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Danach empfiehlt sich die Ersteigung des “Berg der Langelebigkeits” und die Erkundung der unzähligen Gebäude, Gärten, Pagoden und weiteren Anlagen, die sich am Hügel befinden, sowie des Kunming-Sees, von dem man einen herrlichen Blick auf den zentralen Hügel mit seinen vielen Bauten hat. Man kann ohne Probleme einen ganzen Tag dort verbringen. Sollten die Füsse mal schlapp machen, kann man mit kleinen Fährbooten die Fusstrecken abkürzen. Es bietet sich auch an, den Sommerpalast über den südlichen Ausgang zu verlassen und über die Metrostation Bā gōu(巴沟) der Linie 10 wieder ins Stadtzentrum zu fahren.
Die Ruinen des Alten Sommerpalast erreicht man auch über Linie 4, aber man steigt bereits an der Station Yuánmíngyuán(圆明园) aus. Der Eingang befindet sich dann direkt an der Metrostation. Auch der Besuch des Alte Sommerpalast hat einen ganz besonderen Reiz und sollte unbedingt in Betracht gezogen werden.