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Chinas kulturelle Besonderheiten

Zahlen, Rituale und Aberglaube spielen eine große Rolle

Viele Chinesen erscheinen auf den ersten Blick sehr „verwestlicht“ und modern, aber trotzdem spielen Zahlen, Rituale und Traditionen eine sehr große Rolle im chinesischen Alltag. Wenn man sich in China für eine Zahl entscheiden muss, dann wird die 8 immer die erste Wahl sein. Auch werden immer wieder Wahrsager befragt, die einem den richtigen Weg zeigen sollen. Des Weiteren spielt das Heute eine größere Rolle, als das Morgen. Woher kommen diese kulturellen Besonderheiten?

Ritualisierung
Viele Handlungen und Prozesse des täglichen Lebens unterliegen traditionellen Vorschriften. Abweichungen werden der Norm werden gemieden. Spontanität, Improvisation, Originalität oder Selbstverwirklichung sind weitgehend verpönt in China. Der erhöhte Konformitätsdruck und die Angst vor dem Gesichtsverlust sind elementare Züge, die die chinesische Ritualisierung unterstützen.
Als Beispiel kann man das Überreichen von Visitenkarten nennen oder das Schreiben von chinesischen Schriftzeichen. Jedes Schriftzeichen wird nach einer vorgebenden Abfolge gezeichnet. Weicht man von dieser „Norm“ ab, trifft man direkt auf Ablehnung und wird belehrt. Obwohl ein Schriftzeichen, welches nach einer anderen Reihenfolge gezogen wurde, genauso so gut ist wie das andere – muss der Vorgabe gefolgt werden. Ein weiteres Ritual besteht in dem Zusammenhang mit dem Meister, der einem Wissen vermittelt. Wo in westlichen Kreisen DIY-Bücher oder die Methode „Learning by Doing/Trying“ hoch im Kurs stehen, da man sich dadurch neue Fähigkeiten alleine beibringen kann. In China muss dies über einen Meister geschehen, der einem den richtigen Weg und die richtigen Schritte zeigt, die man dann als Schüler kopieren und ritualisieren kann. Dieses „Kopieren“ vom Meister gilt in China als sehr angesehen. Dies können gewisse Arbeitsschritte oder ganze Kunstwerke sein. Dieses „Meister-und-Kopier-Prinzip“ sind einer der Gründe warum die Produktpiraterie so erfolgreich in China ist.

Aberglaube
Jede Kultur hat ihren eigenen einzigartigen Aberglauben (迷信míxìn), und China ist da nicht anders. Viele Chinesen erscheinen auf den ersten Blick sehr „verwestlicht“ und modern. Trotzdem werden viele immer noch Hilfe bei einem Wahrsager suchen, wählen besondere Zahlen ausm die Glück bringen sollen oder engagieren einen Feng-Shui-Experten. Feng-Shui nehmen Chinesen sehr ernst und das Haus oder das Büro muss in der richtigen Weise arrangiert werden, um Glück und Erfolg im Leben zu haben.

Wenn es um viel Glück geht, ist die magische Zahl in China die 8. Man kann dieser Zahl in China überall begegnen. Warum? Die Acht klingt dem Wort für Wohlstand/Reichtum (八 bā / 發 fā) ähnlich. Wenn man sich an die olympischen Spiele in Peking erinnert, dann ist es kein Zufall, dass die Spiele um 8:08 Uhr am 8. August 2008 begannen. Das Starten zu dieser exakten Zeit sollte allen viel Glück bringen. Wenn Personen in China Telefonnummern, Mobilfunknummern, Hausnummern, wichtige Termine oder andere Nummern wählen, ist die 8 in der Regel die erste Wahl. Dafür wird dann auch gerne tief in die Tasche gegriffen.

Wenn es aber mehr um den Aberglauben geht, dann wird man trotz der Moderne in China, nur selten einen Chinesen antreffen, der sich bei Dunkelheit die Fingernägel schneiden würde. Dies passiert nur bei Tageslicht. Nach einer alten Überlieferung können bei Nacht über die frische „Schnittstelle“ böse Geister in den Körper eindringen und das möchte man ja gerne vermeiden.

Ein weiteres Beispiel für Aberglauben ist die Yuè zi – Ein Monat der postnatalen Inaktivität. Die Geburt ist ein besonderes Ereignis, das überall auf der Welt anders zelebriert wird und mit verschiedenen Traditionen in Verbindung steht. Beim „Yuè zi (月子)“ nimmt die Mutter einen Monat Auszeit in China. Jetzt denken man wahrscheinlich, dass das Sinn macht, wenn man es nach der Geburt etwas ruhiger angeht, richtig? In China ist die Yuè zi aber eine Zeit voller Vorschriften, Vorgaben und Verboten für die frische Mutter. Den Müttern ist es nicht erlaubt das Haus für einen Monat zu verlassen. Außerdem ist es vorgeschrieben was die Mutter essen darf und was nicht. In der Regel ein fader Eintopf aus Reis und Schwein. Darüber hinaus dürfen die Mütter einen ganzen Monat nicht duschen, da dies als Erkältungsrisiko gilt. Die Argumentation hinter Yuè zi ist, dass Mütter kurz nach der Geburt besonders anfällig für Erkältungen und Krankheiten sind. Manche gehen sogar so weit, dass die neuen Mütter ihre Zähne nicht putzen dürfen. Das Yuè zi ist in den meisten chinesischen Familien noch immer ein Pflichtprogramm und wird von der Mutter verlangt, auch wenn viele Richtlinien und Vorgehensweisen des Yuè zi heute überholt erscheinen.

Diesseitigkeit
Eine sehr ausgeprägte Ausrichtung der chinesischen Kultur liegt auf dem „Hier und Jetzt“ sowie dem konfuzianischen „Diesseits-Prinzip“. Während in den westlichen Religionen der Fokus eher auf ein besseres Leben nach dem Tod besteht – „Jenseits-Prinzip“, wünscht man sich als Chinese lieber ein langes Leben und Reichtum. Auch spricht man in China nicht über den Tod, da dies ein Tabuthema ist. Umso mehr steht die Langlebigkeit des jetzigen Lebens im Fokus und kaum ein Begriff in China hat so viele Symbole, wie zum Beispiel der Hirsch, lange Nudeln zum Geburtstag, der Pfirsich oder Kranich für die Langlebigkeit stehen.

Obwohl das Thema Tod in der chinesischen Kultur gemieden wird, gibt es trotzdem einen sehr ausgeprägten Ahnenkult in China. Hierbei werden vom „Stammhalter“ zeremoniell Opfergaben verbrannt, die den Ahnen im Jenseits zugutekommen sollen. Es werden Papiergeld, Papierhandys, Papierautos oder was für die Ahnen noch so nützlich sein kann verbrannt. Dies dient aber primär als Vorbeugung und der Abwehr gegen die Seelen der Verstorbenen und nicht der Verehrung. Denn wenn die Ahnen unzufrieden sind, dann könnten diese im „Hier und Jetzt“ auftauchen und für Ärger sorgen. Dies muss man auf jeden Fall vermeiden und deshalb ist auch ein männlicher Nachkomme in China so wichtig, weil nach altem Glauben der Ahnenkult nur von einem Sohn vollzogen werden kann.

Durch die Diesseitigkeit und durch negative Erfahrungen in der jüngeren, chinesischen Geschichte (Hungersnöte, Missernten, Bürgerkriege, etc.) lebt man in China lieber im Heute und plant ungern weit in die Zukunft. Auch stehen materielle Wünsche im Vordergrund. Man wünscht sich primär Reichtum und eine einträgliche Stellung sowie einen Sohn oder Zehntausendfaches Glück. Die ausgeprägte Wertschätzung von Essen und der demonstrative Konsum spiegeln auch dies wieder. Kurzweiliger Erfolg und das „schnelle Geld“ stehen oftmals im Vordergrund, da man sich der Zukunft nie ganz so sicher sein kann. Diese Lebensweisen spiegeln das Diesseits-Prinzip in der chinesischen Kultur wieder.

Autor: Daniele Bardaro