16 der 66 Dynastien Chinas bauten direkt oder indirekt an der Chinesischen Mauer. Die Hauptmauer besteht heute vor allem noch aus den Bauabschnitten der Ming-Dynastie (1368–1644).
Während der frühen Periode der Ming-Dynastie zog die Regierung von ihrer alten Hauptstadt Nanjing nach Peking im Norden Chinas. Während dieser Zeit legte der Kaiser Zhudi großen Wert auf den Wiederaufbau der Großen Mauer als ein wichtiges Verteidigungsprojekt gegen die nördlichen Eindringlinge. Der Zustand der Mauer variiert sehr, alleine vom Ming-Abschnitt sind nur noch 8% intakt, während sich 74% bereits in einem schlechten Zustand befinden. Oftmals können nur noch Archäologen Fundamente ausmachen. Dies gilt vor allem für Mauerabschnitte, die vor der Ming-Zeit gebaut wurden. Die Ming-Bauweise war sehr teuer, aber von sehr hoher Qualität. Es wird geschätzt, dass 3% der Reisernte damals zur Herstellung eines besonders haltbaren Mörtels eingesetzt wurden. Außerdem besteht die Mauer aus sehr hochwertig gebrannten Ziegeln, die die Zeit sehr gut überstanden haben. Da fast nur noch diese Bauabschnitte erhalten sind , ist unsere heutige Vorstellung der chinesischen Mauer vom Baustil der Ming geprägt..
Die Instandhaltung der noch vorhanden Mauerteile wird vom Staat finanziert, wobei ein Großteil der Investitionen in ein 600km langen Abschnitt bei Peking fließt und dieser dadurch größtenteils in einem guten bis sehr guten Zustand ist. Wobei auch viele Bereiche derart restauriert wurden, dass von „original“ nur noch schwer die Rede sein kann. Da in vielen Regionen keine finanzielle Unterstützung erfolgt und ein Umdenken in der Bevölkerung stattgefunden hat, gibt es mehr und mehr private Initiativen. Dörfer, die an der Mauer liegen, übernehmen inoffiziell „Patenschaften“ von Mauerabschnitten und versuchen dem Verfall Einhalt zu gebieten.
Die berühmten Bereiche der Mauer
Die bekanntesten und touristisch erschlossensten Abschnitte sind Badaling und Mutianyu, die im Jahr von gut 10 Millionen Menschen besucht werden. Ein Besuch zu den verschiedenen chinesischen Feiertagen sollte vermieden werden, denn dann muss man sich die Abschnitte mit vielen weiteren Besuchern teilen. Badaling ist am besten an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, so dass man mit mehreren Bussen oder einem Zug in gut einer Stunde von Peking aus erreichen kann. Schneller und komfortabler geht es natürlich mit einem Taxi oder einem Fahrer, die einen in der Regel in einer guten Stunde zu den beiden Mauerabschnitten bringen können, dort auf einen warten und wieder zurück nach Peking bringen. Der Preis dafür liegt zwischen 400 und 700 RMB. Vor Ort kann man dann entscheiden, ob man mit einer der Seilbahnen zur Mauer möchte oder zu Fuss geht.
Badaling (万里长城—八达岭, Wànlǐ chángchéng—bādálǐng)
Dieser Bereich ist der älteste touristisch erschlossene Teil der Mauer und wurde 1957 nach sehr umfangreichen Renovierungsarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieser Abschnitt wurde 1505 in der Ming-Dynastie vollendet, liegt ca. 70km nordwestlich von Peking und wird heute von mehreren Millionen Besuchern im Jahr entdeckt. Dadurch bekam die Region einen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem man noch heute profitiert. Der Mauerabschnitt erstreckt sich über einen 1015m hohen Pass namens Beibalou (北八楼Běi bā lóu). Die Mauer ist im Durchschnitt 7,8 Meter hoch, jedoch können einige Abschnitte der Mauer bis zu 15 Meter hoch sein. Das Fundament ist 6,5 Meter breit und verjüngt sich nach oben auf 5,8 Meter. Die obere Breite ist so entwickelt, dass fünf Pferde oder zehn Soldaten nebeneinander die Mauer entlang marschieren können. Der gesamte Badaling Abschnitt ist 12 Kilometer lang und ist mit 43 Wachtürmen ausgerüstet. 3,74 Kilometer sowie 19 Wachtürme wurden restauriert und sind für Besucher geöffnet. Mehr als 370 ausländische Politiker und Prominente haben diesen Abschnitt bereits besucht. Darunter sind der ehemalige US-Präsidenten Nixon, Reagan, Carter, und George W Bush, Queen Elizabeth II von Großbritannien und viele mehr.
Ein altes chinesisches Sprichwort verdeutlicht die entscheidende strategische Lage von Badaling: „Wenn ein Mann den [Badaling] Pass bewacht, können zehntausend nicht durchkommen.“ (一夫当关,万夫莫开Yīfū dāng guān, wàn fū mò kāi).
Mutianyu (慕田峪 Mùtiányù)
Dieser Mauerabschnitt liegt 70km nordöstlich von Peking und bietet einen sehr gut erhaltenen Abschnitt der Mauer aus der Ming-Dynastie. Spuren einer Wehranlage lassen sich bereits aus dem 6. Jahrhundert,die Zeit der Qin-Dynastie, finden. Somit ist dieser Teil der Mauer älter als der berühmte Abschnitt von Badaling. Der erschlossene Bereich ist 2,2km lang und weist 22 Wachtürme auf. In der Mitte der Anlage befinden sich in einem kleinen Tal drei Wachtürme. Ein großer in der Mitte, der als Torhaus fungierte, und zwei kleinere zu beiden Seiten. Durch eine künstliche Terrasse sind die drei Türme unterirdisch miteinander verbunden und stellen damit eine architektonische Besonderheit dar. Am Ende des letzten Wachturmes an der östliche Seite, dem „ Grossen-Ecken-Wachturm“, kann man sehen, wie Mutter Natur sich langsam dieses alte Bauwerk zurückerobert.
Es gibt zwei Liftanlagen sowie eine Sommerrodelbahn, allerdings kann man besonders stolz auf sich sein, wenn man die Mauer komplett zu Fuss bestiegen sowie erkundet hat und auch wieder zu Fuss zum Busbahnhof geht, denn man wird dabei über 10.000 Stufen gemeistert haben.
Die besonderen baulichen Merkmale der restaurierten und der nicht restaurierten Anlage sowie die Lage in einem bergigen Waldgebiet lassen Mutianyu zu einem ganz besonderen Erlebnis werden.
Es gibt noch viele weitere Abschnitte, wie Simatai oder Juyongguan, die sich alle in einem Umkreis von 60km bis 200km nördlich von Peking befinden und besucht werden können. Einige davon sind jedoch nur schwer zu erreichen und ein Besuch erfordert etwas Abenteuermut. Andere Bereiche werden momentan erst noch touristisch erschlossen.
Sicht aus dem All
Lange hielt sich das hartnäckige Gerücht, dass die chinesische Mauer das einzige von Menschenhand erschaffende Bauwerk sei, welches man vom Weltraum mit bloßem Auge erkennen kann.
Da die Mauer im Durchschnitt 6 Meter breit ist, müsste man nach dieser Auffassung auch lange Straßen erkennen können, was nicht der Fall ist. Man kann die Mauer noch aus großen Höhen erkennen, allerdings nur, wenn die Sonne sehr niedrig steht und so die Mauer einen sehr langen Schatten wirft. Nur durch diese natuerlich hinzugefügte zusätzliche „Breite“ der Mauer ist sie noch zu sehen.
Der Anfang oder das Ende der chinesischen Mauer, der „Alte Drachenkopf“
Vier Kilometer südlich von der Stadt Shanhaiguan in der Provinz Hebei liegt ein besonderer Teil der Großen Mauer, welcher sich 23 Meter in das Meer erstreckt und dabei wie ein trinkender Drache aussieht. Daher kommt auch der Name „alte Drachenkopf“ (老龙头Lǎo lóngtóu) für diesen Abschnitt der Mauer.
Einer Sage nach suchte der erste Kaiser Chinas Qin ein Elixier für Unsterblichkeit und er vermutete es in der Nähe des Meeres. An dieser Stelle der noch nicht gebauten Mauer traf er auf den Zauberer Fu, der ihm von drei Berginseln erzählte, die die Quelle des ewigen Lebens beherbergen sollen. Der Kaiser erlaubte eine Expedition und mehrere Schiffe segelten gen Osten, aber keiner kehrte zurück. Man sagt, dass Fu und seine Gefolgsleute die drei Inseln finden konnten, aber nicht die Quelle. Vor der vermutlichen Wut des Kaisers erschrocken, zog man es vor, China und dem Kaiser den Rücken zu kehren, die Inseln zu besiedeln und so soll Japan enstanden sein.
Ende und Wiedergeburt
Ab 1644 verlor die Mauer unter der neuen Qing-Dynastie an Bedeutung und geriet in Vergessenheit. Sie verfiel oder wurde mit Erlaubnis der Regierung als Steinbruch benutzt, um aus den alten Steinen neue Häuser zu bauen. Keiner der Europäer, die China oder die Mongolei besuchten, darunter Marco Polo, Giovanni da Pian del Carpine, William von Rubruck, Giovanni de Marignolli und Odoric von Pordenone, erwähnten die Große Mauer. Erst nach den Niederlagen im ersten und zweiten Opiumkrieg und der erzwungenen Öffnung für ausländische Händler und Besucher wurde die Große Mauer schnell eine Hauptattraktion für Touristen. Die Reiseberichte des späten 19. Jahrhunderts verstärkten den Ruf und den Mythos über die Großen Mauer in Europa und sogar in China, wodurch in China ein neues Bewusstsein ueber dieses gigantischen Bauwerk entstand. Mittlerweile ist das chinesisches Nationalgefühl mit der Mauer unzertrennlich verbunden. Darüber hinaus ist für Ausländer die Grosse Mauer der Inbegriff für China, so dass ein chinesisches Sprichwort für Chinesen und Ausländer gleichermaßen gilt: „Der, der nie auf der Großen Mauer war, ist kein wahrer Mensch“ (不到长城非好汉Bù dào chángchéng fēi hǎohàn).